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Erstmals wird ein Preußenkönig Freimaurer

 Wie Friedrich der Große vor 280 Jahren in Braunschweig in die Freimaurerei aufgenommen wurde

 

 Die Geschichte von Preußen und den Hohenzollern ist untrennbar mit der Freimaurerei verbunden. Trotzdem sucht man Friedrichs des Großen Aufnahme in die Freimaurerei und seine lebenslange Beschäftigung mit der „Königlichen Kunst“ in Biografien meist vergebens.

Auch zum 300. Geburtstag des großen preußischen Königs im Jahr 2012 wurde dieser für sein Verständnis wichtige biografische Sachverhalt – wenn überhaupt – nur spärlich diskutiert. Als Beispiel sei die Friedrich-Biografie des Grimme-Preisträgers Johannes Unger „Friedrich. Ein deutscher König“ von 2011 genannt. Dort findet die Beschäftigung des Preußenkönigs mit der Freimaurerei auch nicht den Hauch von einer Erwähnung.

Dabei sind die Umstände der Aufnahme Friedrichs in den Bund der Freimaurer alles andere als marginal, denn das Verhältnis des Kronprinzen zu seinem Vater König Friedrich Wilhelm I. war angespannt, nicht zuletzt durch die Reaktion des Soldatenkönigs auf die gescheiterte Flucht des Kronprinzen zusammen mit seinem Jugendfreund Hans-Hermann von Katte im Jahre 1730. Katte musste seine Mitwirkung bei der Flucht Friedrichs mit seinem Leben bezahlen – Friedrich Wilhelm bestimmte, dass der Kronprinz seiner Exekution beiwohnen musste. Der eigenen Todesstrafe entging Friedrich nur durch seine Begnadigung durch den König, die aber mit einer bedingungslosen Unterwerfung unter den Willen seines Vaters erkauft wurde.

In dieser angespannten Situation, die sich in den folgenden Jahren nicht wesentlich änderte, geschah es am 12. Juli 1738 in Minden während einer königlichen Visitation, bei der auch der 26-jährige Kronprinz anwesend war, dass bei einem Gespräch über sogenannte Geheimbünde Graf Albrecht Wolfgang von Schaumburg-Lippe die Freimaurerei vehement verteidigte und sich sogar als Mitglied der an der Aufklärung orientierten Bruderschaft offenbarte. Friedrich war so sehr von dem mutigen Eintreten des Grafen für den Bund der Freimaurer begeistert, dass er ohne Wissen seines Vaters an ihn he­rantrat und nach der Tafel bat, ihm Gelegenheit zu verschaffen, selbst auch Mitglied in einer Gesellschaft zu werden, die „wahrheitsliebende Männer zu Mitgliedern habe“.

Albrecht Wolfgang, der wahrscheinlich 1724 oder 1725 – kurz nach der Gründung der ersten Großloge in der City of London im Jahre 1717 – in einer Londoner Loge in die Freimaurerei aufgenommen worden war, ging sofort daran, den Wunsch des preußischen Kronprinzen zu erfüllen. Er nahm aus diesem Grunde Kontakt mit der ersten und bis dahin einzigen regulären Freimaurerloge auf dem deutschsprachigen Festland auf, der 1737 gegründeten „Loge d’Hambourg“. Dort beriet man am 29. Juli 1738 über die Aufnahme des Prinzen und entschied sich dafür, ihn in die Freimaurerei aufzunehmen.

Allerdings musste die gesamte Prozedur vollständig geheim durchgeführt werden, da weder Friedrich Wilhelm I. noch irgendjemand bei Hofe davon wissen durfte, weil der Wunsch des Kronprinzen, dieser dem König sus­pekten Bruderschaft beizutreten, zu schweren Verwicklungen hätte führen können. Die Antipathie des Soldatenkönigs gegen die Freimaurerei war bekannt, und so hätte sich das Verhältnis des Kronprinzen zu seinem Vater weiter verschlechtern können, zumal sich die Freimaurerei von England ausbreitete, und daher auch politische Verwicklungen denkbar gewesen wären.

Da der Kronprinz aus diesen Gründen nicht nach Hamburg kommen konnte, wurde vereinbart, ihn in einer Nacht- und Nebelaktion in Braunschweig in die Freimaurerei aufzunehmen. Braunschweig wurde gewählt, weil der König zusammen mit dem Kronprinzen dort zu einer Visitation anwesend sein würde und zu dieser Zeit die Stadt wegen einer dort stattfindenden Messe auch mit vielen Handelsreisenden überfüllt sein würde: ideale Voraussetzungen für dieses unter allen Umständen geheim zu haltende Vorhaben.

Von der Loge d’Hambourg reisten der Logenbruder Baron Ge­org Wilhelm Ludwig von Oberg, Meister vom Stuhl der Loge, sowie die Brüder Johann Friedrich Löwen und Jakob Friedrich von Bielfeld nach Braunschweig. Aus Hannover kamen auf getrennten Wegen Albrecht Wolfgang, Graf Georg Ludwig von Kielmansegg und Friedrich Christian von Albedyll nach Braunschweig.

Da die Brüder aus Hamburg ihre Ritualgegenstände in ihrer Kutsche mitführen mussten, wäre das ganze Vorhaben beinahe schon im Vorfeld zum Scheitern verurteilt gewesen, denn, obwohl für die Dauer der Messe Zollfreiheit herrschte, wurde die Delegation aus Hamburg an der Stadtgrenze von Braunschweig von einem Zöllner angehalten, der den Inhalt der Kutsche inspizieren wollte. Dieses Problem konnte aber durch die Gabe eines Goldstückes gelöst werden. Der Zöllner verzichtete daraufhin auf die Durchsuchung.

Die Aufnahme des Kronprinzen sollte nach seinem Wunsche in der Nacht vom 14. auf den 15. August 1738 erfolgen. Zu diesem Zwecke mietete man einen großen Raum im Korn’schen Gasthof „Zum Schloß Salzdahlum“. Dadurch ergab sich ein weiteres Problem, denn das an den gemieteten Saal anschließende Zimmer war von einem gewissen Herrn v. W. angemietet worden, der, weil sein Zimmer nur durch eine Bretterwand vom Saal getrennt war, die Aufnahmezeremonie hätte belauschen können. Die Delegation versuchte erfolgreich, den Herrn v. W. außer Gefecht zu setzen, indem sie ihn besuchte und einlud, mit ihnen reichlich Alkoholika zu sich zu nehmen. Das wirkte so gut, dass Herr v. W. in einen rauschbedingten Tiefschlaf fiel und erst nach der Aufnahmezeremonie wieder wach wurde.

Der Kronprinz erschien kurz nach Mitternacht anonym im

Korn’schen Gasthof. Friedrich wurde in dieser Nacht in den ersten Grad aufgenommen, anschließend in den Gesellengrad befördert und abschließend in den Meistergrad erhoben. Nach der Zeremonie, die etwa um 4Uhr morgens endete, wurde der Kronprinz unter größter Geheimhaltung wieder in sein Quartier gebracht.

Wenig später eröffnete Friedrich im Schloss Rheinsberg eine eigene Loge. Im Jahre 1739 wurden die Brüder Oberg und Bielfeld aus Hamburg unter größter Geheimhaltung nach Rheinsberg eingeladen, um Aufnahmen und Beförderungen durchzuführen. Danach leitete der Kronprinz als „Meister vom Stuhl“ die Logenarbeiten selbst. Die Loge Friedrichs wurde später „Loge première“ und ab 1740 „Loge du Roi“ genannt.

Nach dem Tode des Vaters und der folgenden eigenen Thronbesteigung am 31. Mai 1740 konnte Friedrich sich öffentlich als Freimaurer bekennen. Darüber, inwieweit die Beschäftigung mit der Freimaurerei sein Denken und Handeln beeinflusst hat, ist kontrovers diskutiert worden. Seine Marginalverordnung zur Religionstoleranz vom 22. Juni 1740 mit dem berühmten Ausspruch, dass „ein jeder nach seiner Fasson selig werden“ solle, und seine Auffassung, dass der Herrscher „der erste Diener des Staates“ sein müsse, könnte als freimaurerisch beeinflusst im Sinne der Freimaurerurkunde „Alte Pflichten“ von 1723 gesehen werden.

Die Zugehörigkeit zum Bund der Freimaurer ist als geschichtliche Tatsache belegt. Friedrich der Große hielt bis ins hohe Alter an der Freimaurerei fest, obwohl er als geistiger Vertreter der Aufklärung immer manchen „Verirrungen“ innerhalb der Freimaurerei kritisch gegenüberstand. Nur mit dem Wissen um die Beschäftigung Voltaires und Friedrichs des Großen mit der Freimaurerei ist die lange Freundschaft des preußischen Königs zu dem französischen Aufklärer richtig einzustufen.          

R.K.

 Erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung am 10.08.2018

 

 

 

Freimaurerei und Preußen

 

Die Hofloge des Kronprinzen Friedrich in Rheinsberg war die erste Freimaurerloge in Brandenburg-Preußen. Ihr gehörten zuerst 16 Mitglieder an, vor allem Freunde und Vertraute des Kronprinzen. Ab 1739 leitete der Kronprinz die Loge selbstständig. Nach der Krönung Friedrichs wurde die erste Logenarbeit am 20. Juni 1740 im Schloss Charlottenburg in Berlin durchgeführt. Als König nahm Friedrich einige Mitglieder aus dem Hochadel auf, unter anderem seinen Bruder August Wilhelm von Preußen.

Da der König wegen seiner Regierungsgeschäfte und den Schlesischen Kriegen in der Folgezeit wenig Gelegenheit hatte, die Logenarbeiten selbst zu leiten, regte er an, in Berlin eine neue Loge zu gründen. Diese Loge, zu der später auch der Prinz Wilhelm von Preußen gehörte, trug den Namen „Aux trois Globes“. Diese Loge stiftete mehrere Tochterlogen. Die Loge „Aux trois Globes“ setzte im Jahre 1744 eine sogenannte Schaffner-Loge mit dem Namen „Große Königliche Mutterloge zu den drei Weltkugeln“ ein. Es entstanden zwei weitere „Altpreußische Großlogen“, die „Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland“ und „Royal York zur Freundschaft“.

Nach dem Tod FriedrichsII. wurde sein Neffe Friedrich Wilhelm II. König, auch er war Freimaurer. Weitere Mitglieder des Hauses Hohenzollern waren ebenfalls Freimaurer. Zu nennen wären hier die Prinzen Wilhelm, Heinrich und Ferdinand von Preußen sowie die Könige von Preußen und Deutschen Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. Wilhelm II. gehörte dem Bund nicht an.

In der NS-Zeit wurde die Freimaurerei verfolgt und der Besitz der Logen beschlagnahmt. Adolf Hitler fasste in seiner Verschwörungstheorie das Judentum in einem Atemzug mit der Freimaurerei zusammen. Viele Freimaurer wurden durch die Nationalsozialisten beruflich und gesellschaftlich benachteiligt und verfolgt.

Nach dem Untergang des Dritten Reiches war die Freimaurerei in Deutschland durch Krieg und Verfolgung stark gezeichnet. Die Nachfolgeorganisationen der Altpreußischen Logen konnten sich aber wieder etablieren. Auch heute noch gibt es aktive Freimaurerlogen, die sich in direkter Folge von Friedrich dem Großen ableiten.

Ein Beispiel ist die nach dem Motto der Hohenzollern benannte Johannisloge „Vom Fels zum Meer“ in Hamburg (www.vom-fels-zum-meer.de).

R.K.

 Erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung am 10.08.2018

 

 

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 Beitragsende

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300 Jahre Freimaurerei – Gedanken zur gesell­schaftlichen Rolle der Logen

Br. Armin Peter, JL „Drei Lichter im Felde“ i. Or. Berlin (Bundessblatt 1 / 2018)

 

Es ist wieder ein Jahr vergangen, un­sere Loge feiert heute ihr 121. Stiftungs­fest. Und damit nicht genug: Im Jahre 2017 wird die Freimaurerei nach der Zeitrechnung der UGLE 300 Jahre alt. Als offizieller Stiftungstag der speku­lativen Freimaurerei gilt der 24. Juni 1717, als sich vier Londoner Logen zur ersten Großloge zusammenschlossen. Ich möchte unser Stiftungsfest im 300. Jahr der Maurerei zum Anlass nehmen, um gemeinsam mit Ihnen, liebe Brü­der, über die gesellschaftliche Rolle der Logen im Wandel der Zeiten nachzu­denken.

Die Geschichte unseres Bruderbundes ist wesentlich älter als 300 Jahre. Vor­läufer der Freimaurer waren die „Sto­ne Masons“, die Maurer der Dombauhüt­ten. Sie waren im Zeitalter der Gotik europaweit mit der Errichtung der gro­ßen Kathedralen beauftragt. Diese Stein­metze bildeten eine hochqualifizierte Elite – sie konnten nicht nur lesen und schreiben, sondern besaßen überdies mathematische, statische und theolo­gische Kenntnisse. Um ihre kostbaren Fähigkeiten und „Baugeheimnisse“ vor Unbefugten zu schützen, verbargen die Steinmetze sie in einem komplexen System aus Symbolen und Passwör­tern. Diese maurerische Symbolik ist jedoch nicht erst im Mittelalter ent­standen. Ihre Wurzeln reichen zurück bis zu den Ur-Religionen des alten Ägyp­ten und Mesopotamien. Auch Elemen­te griechischer und römischer Myste­rienbünde finden sich in der Werkleh­re.

Als sich die Zeit der großen Kirchen­neubauten im 15. und 16. Jahrhundert dem Ende zuneigte, endete auch die Blütezeit der Steinmetz-Eliten. Die „Sto­ne Masons“ mussten ihre Rolle in der Gesellschaft neu finden, um nicht von der Moderne überflüssig gemacht zu werden. Das ist ihnen gelungen: Die Bauhütten nahmen auch Nicht-Hand­werker auf und wurden zu spekulati­ven Logen. Damit war die Freimaure­rei, wie wir sie heute kennen, geboren – und die alte Zunft der Steinmetze hatte es geschafft, den Kern ihrer Leh­re in eine neue Zeit hinüberzuretten.

Um unseren Bund ranken sich seit sei­ner Gründung zahlreiche Mythen und Verschwörungstheorien. Am hartnä­ckigsten hält sich die Vorstellung, wir Freimaurer würden eine Art geheime Weltregierung bilden. Das ist natür­lich Unsinn. Gleichwohl können wir im Rückblick auf 300 Jahre spekulati­ve Maurerei feststellen, dass Freimau­rer in zahlreichen Revolutionen oder politischen Umwälzungen des 18./19. Jahrhunderts eine entscheidende Rol­le gespielt haben – und zwar weltweit. Das gilt für die Französische Revolu­tion ebenso wie für den Amerikani­schen Unabhängigkeitskrieg, die deut­sche Revolution von 1848, die mexi­kanische Revolution, die Staatsgrün­dung Italiens und die Errichtung der Republik in Brasilien, um nur einige Beispiele zu nennen.

Wie lässt sich diese Tatsache sachlich und logisch erklären? Lassen Sie uns dazu einen kurzen Ausflug in die Welt der Historiker und Soziologen unter­nehmen!

In den letzten 20.000 Jahren hat sich der Mensch von einem schwachen Jä­ger und Sammler zum unbestrittenen Herrscher des ganzen Planeten entwi­ckelt. Während unsere Vorfahren noch vor wenigen tausend Jahren mit Stein­werkzeugen Jagd auf Mammuts mach­ten, erforschen wir heute das Sonnen­system mit Raumschiffen und bauen raffinierte Maschinen, die unser Leben erleichtern. Die größten Quantensprün­ge sind der Menschheit sogar erst in den letzten ca. 300 Jahren gelungen – die Menge an verfügbarem Wissen ist exponentiell gewachsen, wir leben heu­te in historisch beispiellosem Wohl­stand. Forscher haben lange gerätselt, warum sich ausgerechnet die Spezies „homo sapiens“ so umfassend durch­gesetzt hat. Biologen führen dies z.B. auf unsere besondere Anatomie, das im Vergleich zu anderen Säugetieren überdurchschnittlich große Gehirn oder die Benutzung von Werkzeugen zu­rück. Das alles hat sicherlich geholfen. Aber da ist noch mehr.

Wie der israelische Historiker Yuval Noah Harari schreibt, ist homo sapi­ens die einzige Spezies der Erde, deren Angehörige in großer Zahl flexibel ko­operieren können. Ohne diese Fähig­keit würden wir noch immer auf Stein­zeit-Niveau leben. Zwar können auch andere Säugetiere, wie etwa Affen oder Elefanten, untereinander kooperieren. Allerdings geschieht dies in der Regel nur in einer relativ überschaubaren Anzahl von Familien- oder Rudelmit­gliedern. Auch Bienen oder Ameisen beherrschen sehr fortgeschrittene Wege der Kooperation, und das schon seit Millionen von Jahren. Allerdings fehlt auch ihnen die Flexibilität – ein Bie­nenschwarm kann keine Revolution anzetteln, seine Königin guillotinieren und eine Republik errichten. Allein der Mensch besitzt die wichtige Fähigkeit, mit einer unbegrenzten Anzahl frem­der Artgenossen auf flexible Art und Weise kooperieren zu können.

Die Geschichte bietet viele Beispiele dafür, wie entscheidend flexible Ko­operation für gesellschaftlichen Fort­schritt und die Durchsetzung neuer Ideen ist. Rom hat Griechenland nicht besiegt, weil die Römer größere Gehir­ne oder bessere Werkzeuge hatten, son­dern weil sie effektiver zusammenar­beiten konnten. Historisch gesehen ha­ben disziplinierte Armeen sich deshalb immer gegen unorganisierte Horden durchgesetzt.

Und gut organisierte Eliten konnten trotz physischer Unterlegenheit mü­helos ganze Völker unterdrücken. Bis zum Zeitalter der Aufklärung koope­rierten z.B. in Europa die adeligen Eli­ten höchst effizient. Sie heirateten un­tereinander, teilten Reiche auf, führ­ten Kriege und waren zugleich pein­lichst darauf bedacht zu verhindern, dass ihre Untertanen lernten, sich ef­fektiv gegen sie zu organisieren.

Ein Beispiel: Im Jahre 1740 begann der Gründer unserer Großen National-Mut­terloge „Zu den drei Weltkugeln“, Fried­rich der Große, den Schlesienkrieg, der viele tausend Tote bzw. Verwundete kostete. Die meisten seiner Soldaten waren Rekruten aus der preußischen Landbevölkerung, die zum Dienst in der Armee gezwungen wurden. Man darf also getrost davon ausgehen, dass sich ihre Begeisterung über den oft jah­relangen Kriegseinsatz in engen Gren­zen hielt. Dem Alten Fritz war das wohl bewusst. Nach einer Truppeninspek­tion mit Kaiser Joseph II. (des Heili­gen Römischen Reiches), bei der 60.000 Mann paradierten, soll Friedrich sei­nen Besucher gefragt haben: „Und was ist nun wohl das Merkwürdigste an dem, was wir gesehen haben?“ Der Kaiser be­gann zu raten: „Die Genauigkeit, die Ausführung, die Ordnung, das Ineinan­dergreifen, die Schnelligkeit …“ Fried­rich schüttelte den Kopf und sagte: „Nein, dass sie nicht uns, die wir doch Urheber aller ihrer Leiden sind, über den Haufen schießen.“

Friedrich der Große war ein kluger Kopf – er hatte erkannt, dass sich Menschen in großen Gruppen fundamental an­ders verhalten als Individuen. Sie wer­den manipulierbar und lassen sich leich­ter steuern. Intelligente Herrscher nut­zen dies ebenso wie Revolutionäre.

Religiöse oder politische Autokraten halten die Massen unter Kontrolle, in­dem sie einzelne Regelbrecher hart be­strafen und dem Volk mit dem Ver­sprechen künftiger, oft sogar ins Jen­seits verlagerter Heilsversprechen Op­fer und Gehorsam abverlangen.

Und ein erfolgreicher Revoluzzer fragt sich nicht, wie viele Bürger seine Ide­en unterstützen. Er denkt vielmehr da­rüber nach, wie viele seiner Unterstüt­zer effektiv zusammenarbeiten kön­nen. Das gilt bis heute, obwohl Mas­senmedien wie Twitter oder Facebook die Organisation von Protesten erheb­lich erleichtern. Aber 100.000 oder auch eine Million Menschen auf die Straße zu bringen ist das eine, einen politi­schen Apparat in den Griff zu kriegen jedoch etwas ganz anderes. Das jüngs­te Paradebeispiel dafür war die ägyp­tische Revolution von 2011: Die De­monstranten auf dem Tahrir-Platz brachten eine kritische Masse auf, die schließlich das Mubarak-Regime stürz­te. Nach Mubaraks Rücktritt konnten die Revolutionäre das Machtvakuum jedoch nicht füllen. Es gab nur zwei Gruppierungen in Ägypten, die dafür genügend organisiert waren: Erstens die Muslimbrüder und zweitens die Armee. Die Folgen sind bekannt.

Wenn wir nun mit diesem historischen Wissen die Freimaurerlogen im 18. und 19. Jahrhundert betrachten, wird vieles klarer. Freimaurerei überwindet gesell­schaftliche Grenzen und schafft einen Raum der sozialen Gleichheit. Das ist bis heute eine ihrer großen Stärken! Und nur hinter den verschlossenen Toren des Tempels waren die Brüder des 18. und 19. Jahrhunderts geschützt vor der absolutistischen Justiz oder kirchlicher Verfolgung. In der Loge war es plötz­lich möglich, frei und offen über Phi­losophie, Wissenschaft, aber auch Po­litik oder Religion zu diskutieren. Der klassische Adel traf auf ein neues, selbst­bewusstes Bürgertum, das Mitbestim­mung einforderte. Aufklärerische Wer­te wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlich­keit, Toleranz und Humanität gewan­nen an Zustimmung. Natürlich wirkte sich dies auch auf das Handeln der Brü­der im profanen Leben aus. Das wird sicher keinen von Ihnen überraschen. Die Logen wurden also aus zwei Grün­den zum Katalysator für politisches En­gagement: Erstens, weil sie demokrati­sche und egalitäre Werte förderten. Und zweitens, weil sie in den absolutistischen Staaten des 18. und 19. Jahrhunderts eine Plattform für Vernetzung und ef­fektive Kooperation boten.

Die gesellschaftliche Rolle der Maure­rei im 18./19. Jahrhundert ergab sich folglich aus dem Spannungsfeld zwi­schen absolutistischen Staaten und frei­maurerischen Werten. Logen waren erste Vorposten einer demokratischen Öffentlichkeit. Wie wir alle wissen kennt die Bruderschaft keine Dogmen. Und keine Loge sollte sich eine bestimmte politische Haltung zu Eigen machen. Aber einzelne Brüder wirken sehr wohl auf der Basis freimaurerischer Ideale in ihre jeweilige Gesellschaft hinein. Denn der Freimaurer ist kein Unter­tan, sondern ein Bürger. Genau des­halb verfolgen religiöse und politische Diktaturen die Bruderschaft bis heute – nichts fürchten autokratische Regi­me mehr als frei denkende Bürger.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts änderte sich die gesellschaftliche Rolle der Lo­gen. Der Prozess der Nationenbildung war in den meisten westlichen Ländern abgeschlossen und mündete oftmals in die Errichtung einer Staatsform auf der Basis demokratischer Werte. Zugleich erforderte jedoch eine zunehmend glo­balisierte Welt verstärkte zwischenstaat­liche Kooperation. Deshalb fanden sich etliche Freimaurer unter den Impuls­gebern für eine europäische Einigung. Gustav Stresemann und Aristide Bri­and etwa bemühten sich schon in den 1920erjahren um eine deutsch-franzö­sische Aussöhnung, die direkt nach dem 1. Weltkrieg den meisten Bürgern bei­der Nationen undenkbar erschien. Doch die weltweite Bruderkette konnte schon damals nationalistische Gräben über­winden – man musste es nur wollen. Der Freimaurer Winston Churchill spann den Gedanken der 20er Jahre fort, als er 1946 die Vision der „Verei­nigten Staaten von Europa“ entwarf. In Deutschland lag die Freimaurerei zu diesem Zeitpunkt nach 12 Jahren Na­tionalsozialismus am Boden.

Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg hat die Freimaurerei insgesamt die avantgardistische gesellschaftliche Rol­le, welche sie im 18./19. Jahrhundert innehatte, weitgehend verloren. Eigent­lich ist das keine schlechte Nachricht! Denn wir leben heutzutage unter völ­lig anderen politischen und gesellschaft­lichen Umständen. Wer etwas verän­dern möchte, kann in eine Partei ein­treten oder sich anderweitig engagie­ren. Er muss sich nicht mehr hinter verschlossene Türen zurückziehen, um neue Ideen diskutieren zu können. Und mit dem Internet stehen völlig neue Mechanismen für Vernetzung und fle­xible Kooperation zur Verfügung.

Für die Freimaurerei birgt diese Ent­wicklung dennoch Chance und Risi­ko zugleich. Das Risiko besteht darin, dass unser Bund irgendwann ähnlich aus der Zeit gefallen wirkt wie eine klas­sische Dombauhütte aus „Stone Ma­sons“ im 18. Jahrhundert. Wir müssen uns also fragen, wo unser Platz in der modernen Gesellschaft ist und wie wir mit den Herausforderungen unserer schnelllebigen Zeit umgehen. Ich bin überzeugt, dass dies gelingen wird, wenn wir die freimaurerischen Lehren auch im profanen Leben glaubhaft leben. Denn unsere Bruderschaft steht und fällt mit ihren Mitgliedern. Jeder ein­zelne von uns hat also die Chance (wenn nicht sogar die Pflicht!), die gesellschaft­liche Rolle der Freimaurerei im 21. Jahr­hundert aktiv mitzugestalten.

Quellen:

Paul Ernst, „Grundlagen der neuen Ge­sellschaft“, München 1929.

Jürgen Habermas, „Strukturwandel der Öffentlichkeit, Untersuchungen zu ei­ner Kategorie der bürgerlichen Gesell­

Erschienen im Bundesblatt 1 / 2018 der GNML 3WK

 

 

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